Zweifel können uns z. B. sagen, dass ich Angst habe Fehler zu machen oder die Konsequenzen meines Handelns fürchte. Der Zweifel ist somit Botschafter eines unerfüllten Bedürfnisses, wie z. B. nach Sicherheit und Klarheit. Ebenso wie jedes andere Gefühl Botschafter eines erfüllten oder unerfüllten Bedürfnisses ist. Der Zweifel ist also unser Freund und nicht unser Feind. Wenn wir uns unserer Gefühle bewusst sind, können wir, die dahinterliegenden Bedürfnisse erkennen. Mit dem Wissen über unsere Bedürfnisse sind wir dem Gedankenkarussell nicht mehr machtlos ausgeliefert. Wir können Strategien zur Erfüllung dieser Bedürfnisse entwickeln und gewinnen unsere Handlungsfähigkeit zurück.
Auch wenn Bedürfnisse universell sind, also gemeingültig für alle, sind die Wege, wie wir unsere Bedürfnisse erfüllen, sehr unterschiedlich. Mein Bedürfnis nach Bewegung erfülle ich mir z. B. am liebsten beim Wandern, andere bevorzugen Schwimmen, Krafttraining oder Yoga. Um sich ein Bedürfnis nach Klarheit zu erfüllen, können wir z. B. weitere Informationen sammeln, vorhandene Informationen auf Relevanz prüfen, Risiken abwägen oder eigene Erfahrungen reflektieren.
Wie erfüllst du dir dein Bedürfnis nach Sicherheit und Klarheit?
Das Thema Zweifel begegnet mir natürlich auch im Coaching. Egal ob es um Entscheidungsfragen oder Selbstzweifel geht. Nach meiner Erfahrung ist das Problem nicht der Zweifel selbst, dieser weist ja, wie oben beschrieben, nur auf ein oder mehrere unerfüllte Bedürfnisse hin. Die eigentliche Herausforderung, vor der viele meiner Klientinnen und Klienten stehen, ist der Umgang mit diesen Zweifeln und damit der Umgang mit sich selbst.
Zweifel sind wie eine Horde Kinder, die uns alle gleichzeitig in unterschiedliche Richtungen ziehen. Es ist logisch, dass wir uns dabei hin- und hergerissen fühlen. Doch ähnlich wie diese Horde Kinder, wollen die Zweifel, dass wir uns ihnen bewusst zu wenden, uns mit den dahinterliegenden Bedürfnissen beschäftigen, anstatt sie zu verdrängen, darin zu erstarren oder uns im Kreis zu drehen. Wie das geht oder besser gesagt, wie ich meinen Zweifeln begegne, beschreibt die folgende Übung (inspiriert vom „Seiten Modell“ von Gunther Schmidt).
Übung
Nimm dir ein Blatt Papier, einen Stift, mit dem du gerne schreibst, und ca. 30 Minuten Zeit. Schreibe alle Gedanken auf, die du zu dem Thema, worüber du zweifelst, hast. Halte pro Gedanke einen Satz fest und mache nach jedem Satz einen Absatz, sodass die unterschiedlichen Stimmen in dir zu dem Thema übersichtlich untereinanderstehen.
Alle Gedanken sind berechtigt, direkt dazu passende, ebenso wie jene, die nicht direkt damit im Zusammenhang stehen, sich aber offensichtlich gerade zeigen, wenn du dir Aufmerksamkeit schenkst.
Nach dem du die erste Welle an Gedanken aufgeschrieben hast, könnte es sein, dass sich manche Stimmen wiederholen oder für einen Moment Stille einkehrt. Jetzt heißt es dranbleiben, denn nur weil sich die „lauten und forschen“ Stimmen zuerst gemeldet haben, haben noch nicht alle Seiten in dir ihre Stimme erhoben. Nach meiner Erfahrung brauchen manche Seiten, wie auch manche unserer Mitmenschen, Geduld und Ermutigung, um ihre Gedanken zu teilen. Ich sage dann z. B. „Hey, was sagst du denn dazu?“ oder „Hey, deine Meinung interessiert mich besonders, was denkst du dazu?”. Die Antworten überraschen mich immer wieder. Da habe ich vermeintlich schon in jede Richtung gedacht und dabei doch diesen wichtigen Aspekt übersehen. In vielen relevanten Situationen waren diese Aspekte das Zünglein an der Waage, um aus dem Gedankenkarussell auszusteigen oder eine Entscheidung zu treffen.
Nachdem du also auch die zweite, vielleicht sogar dritte Welle, an Gedanken aufgeschrieben hast, ist der schriftliche Teil der Übung abgeschlossen.
Verweile noch einen Moment, danke dir selbst für die Zeit und den Mut, den du aufgebraucht hast, um tiefer in dich hineinzuhorchen und dich bewusst mit deinen Zweifeln auseinanderzusetzen. Für den Moment ist nichts anderes zu tun, als neugierig zu bleiben, was sich in dir und um dich herum zu diesem Thema entwickelt.
Wenn du solche Übungen lieber zu zweit machst oder dich das Aufschreiben zurückhält, dann frage jemanden um Unterstützung für diese Übung. Nur versuche die Übung nicht im Kopf zu machen, dann dreht sich das Gedankenkarussell auf gleiche Weise weiter. Es braucht den nötigen Abstand, um eine andere Perspektive zu der Horde von Kindern bzw. der Stimmen in dir zu bekommen. Das Blatt Papier (physisch wie digital) schafft genau diesen Abstand.
“Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“ (Johann Wolfgang von Goethe aus dem Literaturwerk Faust. Der Tragödie erster Teil)
Verzweifle nicht, falls sich nach der Übung und etwas Zeit nicht die erhoffte Klarheit einstellt. Auch wenn ich die Erfahrung gemacht habe, dass sich durch diese Übung die gesuchte Klarheit einstellt, gibt es dafür natürlich keine Garantie. Vielleicht sind eine oder mehrere Stimmen doch noch nicht zu Wort gekommen, vielleicht gibst du manchen Stimme mehr Gewicht als anderen. Wiederhole die Übung für dich einfach nochmal, danach kannst du dir überlegen, ob du dich zu diesem Thema professionell begleiten lassen möchtest.
Vielleicht erwartest du von dir und deinen Mitmenschen Einstimmigkeit, vielleicht ist es dir wichtig das andere sich auf dich und dein Wort ebenso verlassen können, wie du dich auf das ihrige. Vielleicht denkst du, du kannst eine Entscheidung erst treffen, wenn dir alle Informationen vorliegen. Ich komme mehr und mehr zu der Überzeugung, dass es diese Einstimmigkeit in uns nicht gibt. Wir haben häufig, wie dir die Übung oben gezeigt hat, nicht nur zwei Seelen in unserer Brust. Es spricht nicht nur der Kopf und der Bauch oder Engelchen und Teufelchen zu uns, häufig ist es eben die Horde von Kindern, die nach Aufmerksamkeit ruft. So erlangen wir möglicherweise zu einem Thema nur für einen Moment oder eine Phase unseres Lebens Einstimmigkeit. Versuche nicht die richtige Entscheidung zu treffen, die gibt es häufig nicht. Treffe eine richtungsweisende Entscheidung, eine die dir auch mit zeitlichem Abstand (ein Tag, ein Monat, ein Jahr oder 10 Jahre später) stimmig erscheint. Gestatte dir Fehler zu machen, Entscheidung zu überdenken, deine Meinung zu ändern und daran zu wachsen.
Ich freue mich zu erfahren, welche Inspiration du aus diesem Artikel für dich mitnimmst.
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Herzliche Grüße
Vera Elkendorf