Ich hatte dieses Phänomen schon viele Male in mir beobachten können und auch diesmal war ich wieder in die Falle getappt. Doch das Problem ist nicht ein altes Verhaltensmuster zu wiederholen, sondern es zu bemerken und nicht umzulenken.
So machte mich die Frage „Wie viel Zeit habe ich mit unnötigen Ablenkungen zugebracht?“ auf mein altes Verhaltensmuster aufmerksam und gab mir zugleich die Chance umzulenken.
„Am Ende begegnen wir immer nur uns selbst.“ (unbekannt)
Ich war zwar weggefahren, doch meine Gedanken und Sorgen hatte ich mitgenommen. Meine unnötige Ablenkung in diesen Tagen war also „das sich Sorgen machen“. Kennen Sie das? Geht es den Kindern gut; wird das Projekt gut laufen, wenn ich im Urlaub bin; wird mich der Chef bei der nächsten Gehaltsrunde berücksichtigen; kann ich den Worten meines Partners glauben; kommen die Eltern noch eine Weile alleine zu recht; schafft mein Kind die nächste Klausur usw. Die Liste lässt sich sicher endlos fortführen.
Worüber machen Sie sich Sorgen?
Ich erlaube mir zu behaupten, dass in dem Moment in dem Sie sich Sorgen machen, Sie sich (in den allermeisten Fällen) im Leben der Anderen befinden. Sie wandern gedanklich zum Leben Ihrer Kindern, des Partners, der Eltern, dem Kollegen, dem Chef, dem Freund usw.
Wenn Sie gedanklich das Leben der Anderen leben, wer lebt dann Ihr Leben?
Das wirklich spannende an dem Punkt ist aus meiner Sicht, dass wir uns anmaßen, besser zu wissen was die Anderen brauchen, was gut für sie wäre, allen voran wie sie auf direktem Weg all ihre Probleme lösen könnten, wenn sie doch nur endlich mal auf uns hören würden.
„Bevor Du Dich dran machst, die Welt zu verändern, gehe drei Mal durch Dein eigenes Haus.“ (Chinesisches Sprichwort)
Was will uns dieses Sprichwort sagen? Für mich bedeutet es, bevor ich anderen Ratschläge für ihr Leben gebe, schaue ich erst mal was in meinem Leben gerade nicht rund läuft. Und glauben Sie mir, ich werde jedes Mal fündig.
Nach meiner eigenen Erfahrung, fallen mir beim Anderen immer nur die Themen auf, die eigentlich meine sind. Deshalb nennt man dies auch Projektion und der Satz „Wer im Glashaus sitzt soll, nicht mit Steinen werfen.“ bringt es auf den Punkt. Doch wie nun aus „dem Sorgen machen“ und „dem im Leben der Anderen rumpfuschen“ aussteigen.
Für mich beginnt alles mit der Erkenntnis, dass es sich um eine Projektion meines eigenen Themas handelt. Die Erkenntnis öffnet meinen Verstand und erlaubt mir mich ehrlich zu fragen, was hat das Verhalten des Anderen mit mir zu tun. Erlaubt sich derjenige, in dessen Leben ich gerade rumpfuschen will, etwas, das ich mir selbst verboten habe? Beneide ich ihn dafür, weil ich es auch gerne tun würde, mir aber nicht erlaube? Oder wurde ich selbst als Kind für derartiges Verhalten so hart bestraft (z. B. mit Liebesentzug der Eltern) und lehne deshalb dieses Verhalten bei Anderen ebenso so hart ab? Bestrafe ich mich selbst vielleicht sogar immer noch auf dieselbe Weise oder meine Mitmenschen, wenn mir dieses abgelehnte Verhalten begegnet?
Ich mute Ihnen mit diesen Fragen, insbesondere wenn Sie nun innere Ablehnung spüren, eine ganze Menge zu, dessen bin ich mir bewusst. Diese Bereiche werden auch nicht umsonst „Schatten“ (siehe auch den Artikel „Vom Schatten zum Schatz“) genannt, weil sie von uns viele Jahre lang nicht beleuchtet wurde.
Eine weitere Möglichkeit, aus „dem sich Sorgen machen“ und „im Leben der Anderen rumpfuschen” – kurz um, den Fokus wieder auf das eigene Leben zu lenken, ist, genau diese Anderen zu fragen, welche Sorgen jene sich über Sie machen und welche Lösungen sie parat hätten um Ihre Problem auf direktem Wege zu lösen. Denn mit der Sucht, sich in das Leben der Anderen einzumischen sind Sie in guter Gesellschaft. Dieser Schritt erfordert etwas Mut, denn Sie legen damit offen, dass Sie entsprechende Gedanken für die Anderen haben. Doch sehr wahrscheinlich haben das die Anderen längst gemerkt und Ihre Verbindung könnte zu Ihrer Beider Überraschung, eine ganz neue Dimension einnehmen, wenn Sie sich ehrlich öffnen und wahre Begegnung zu lassen.
Auch hilft aus diesem Verhalten auszusteigen, wenn Sie sich in einem vertrauten Kreis gegenseitig Rückmeldung zu Ihren Themen geben. Die folgenden Fragen können Sie dabei leiten:
- Wenn ich an Dich denke, dann fällt mir als erstes auf oder ein?
- Wenn ich Dir einen Ratschlag oder eine freche Frage stellen dürfte, dann …?
- Wenn ich an Dich denke, welches Tier oder Gestalt kommt mir dann in den Kopf und warum?
Ich habe dies vor einigen Monaten mit sehr lieben und mir zu gewandten Menschen gemacht. Es war für uns alle ein großes Geschenk und ich schmunzele noch heute, wenn ich an die Punkte denke, die sie für mich parat hatten.
Zum Abschluss möchte ich noch einen Aspekt aufgreifen. Warum machen wir uns eigentlich so viele Sorgen? Im Buch „Feel the fear and do it anyway“ von Susan Jeffers habe ich einen interessanten Erklärungsansatz gefunden. Sie sagt, im Rahmen unserer Erziehung und Sozialisierung wurde uns beigebracht, dass es realistischer sei das Schlimmste zu erwarten. Menschen die eher optimistisch in die Zukunft blicken, werden auch gerne als naiv oder gutgläubig belächelt. Susan Jeffers fragt ihre Leser an dieser Stelle, wie häufig die Horrorszenarien, die sie sich erdacht hatten, eingetroffen seien. Wie als hätte sie mich ertappt, musste ich schmunzeln und warf einen Blick zurück auf die Momente, in denen ich alle möglichen Schreckens-Szenerien gedanklich durchlebte. Sie hatte Recht mit ihrer These, keine dieser Horrorszenarien war je eingetroffen. Sie fragt, ob es demnach nicht und viel realistischer sei das Beste zu erwarten. Den passenden Spruch dazu habe ich auch gefunden:
„Sei realistisch – erwarte ein Wunder.“ (unbekannt)
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen mehr bei sich und weniger beim Anderen sein und stets ein Wunder zu erwarten.
Mit herzlichen Grüßen
Ihre Vera Elkendorf
Ihr Coach für mehr Lebensfreude