In den Coaching-Sitzungen beobachte ich immer wieder ein Phänomen. Je mehr sich der eine von beiden einbringt, desto weniger tut es der andere. Es scheint als würde jede Beziehung, ob privat oder beruflich, in der Liebe, der Freundschaft oder der Familie, immer einer Balance anstreben. Wenn also ein Thema von einer Person bereits besetzt ist, dann bleibt für die andere Person, nicht genug Raum um sich einzubringen, die Luft ist aufgebraucht. Das ganze verstärkt sich noch, wenn wir für jemand anderen die Verantwortung übernehmen. Wenn ich also täglich meinem Partner auf ein Thema anspreche und ihm indirekt unterstelle er bekommt es sowieso nicht geregelt, dann brauche ich mich nicht wundern, wenn er sich wie prophezeit verhält.
Es wurde uns vorgelebt….
Ich habe den Eindruck Frauen fällt es sehr viel schwerer sich nur um ihre Angelegenheit zu kümmern. Haben sie doch bei ihrer eigenen Mutter in den meisten Fällen das Gegenteil beobachtet. Die Mutter kümmerte sich früher, noch mehr als heute, um alles, den Haushalt, die Erziehung der Kinder und hielt gleichzeitig dem Mann den Rücken frei. Was nichts anderes bedeutet, als das der Mann sich außer um seine Arbeit um nichts kümmern musste. Und obwohl dies viele Jahre her ist und wir uns alle weiterentwickelt haben, ist dieses Denken noch in vielen Köpfen- vor allem den Frauen meiner Generation – fest verankert. Ja es war die Art und Weise wie wir aufgewachsen sind und auch wenn wir es gerne anders machen wollen, bleibt ein Teil von uns der Auffassung es ist tatsächlich unsere Verantwortung das Leben aller anderen zu regeln. Fast so als würden wir wirklich glauben, wir können es besser als die anderen und wissen immer ganz genau was für wen gut und richtig ist. „Who needs god I`m running the universe“ sagt Byron Katie dazu. Als ich diesen Satz das erste Mal hörte, musste ich lachen. Es war wie eine kleine Erleuchtung. Mir wurde klar, wie hochmütig ich gewesen war (und hier und da noch bin). Die Männer lernten in vielen Fällen das Gegenteil. Ihr Vater als ihr erstes männliches Vorbild machte es ihnen vor und ihre Mutter zeigte ihnen zusätzlich, dass sie sich um nichts kümmern mussten. Wir tun unseren Kindern keinen Gefallen, wenn wir ihnen alles abnehmen, ihre Probleme lösen, sie müssen entsprechend ihres Alters lernen Verantwortung zu übernehmen. Und wir müssen lernen zu vertrauen und aushalten, auch wenn es mal nicht gleich glatt läuft und nicht so wie wir es gemacht hätten.
Doch was ist meine eigene Angelegenheit?
“Es gibt nur drei Angelegenheiten im Universum: meine, deine und die von Gott (Universum).” (Byron Katie – The Work)
Doch wie oben beschrieben, haben wir kein klares Bild davon mitbekommen was meine, was deine und was die Angelegenheit von Gott ist. Wir sind verwirrt und das führt zur Stress und Erschöpfung. Wenn ich mir völlig klar darüber wäre, dass ich hier gerade in der Angelegenheit des anderen bin und tue es trotzdem, dann habe ich mich bewusst dafür entschieden. Es wird zwar nicht dazu führen, dass der andere seine eigene Verantwortung übernimmt, aber alleine die Klarheit über das was ich tue, löst schon ein Teil des Stresses auf. Und in dem Bewusstsein kann ich eine neue Entscheidung treffen, und vielleicht ist die, dass ich es nicht aushalte, dass mein Mann mit verknitterten Hemden ins Büro geht, also bügeln ich weiter seine Hemden. Doch schon bin ich in meiner Angelegenheit, denn es geht nicht mehr um meinen Mann, dem ist es vielleicht egal wie sein Hemd aussieht, ich halte es nicht aus, z. B. das andere denken könnten, seine Frau kann nicht bügeln (hierzu später noch mehr).
Ich behaupte, dass wenn wir uns tatsächlich nur um unsere eigenen Angelegenheiten kümmern würden, dann würden wir alle deutlich entspannter und gesünder durchs Leben gehen. Warum? Weil dann die uns zur Verfügung stehende Energie ausreichen würde und weil uns klar wäre, dass wir auch nur auf unsere eigenen Angelegenheiten Einfluss haben.
Und bitte verstehen Sie mich richtig, ich rufe zu mehr Selbstverantwortung auf, nicht zu verwechseln mit Egoismus. Für mich ist es eine gesunde Form des sich an die erste Stelle setzen.
Schale sein
„Wenn Du vernünftig bist, erweise Dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet, bis sie gefüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter.
Lerne auch Du, nur aus der Fülle auszugießen, und habe nicht den Wunsch, freigiebiger zu sein als Gott. Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird sie zur See. Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen und dann ausgießen.
Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen, nicht auszuströmen. Ich möchte nicht reich werden, wenn Du dabei leer wirst. Wenn Du nämlich mit Dir selber schlecht umgehst, wem bist Du dann gut? Wenn Du kannst, hilf mir aus Deiner Fülle; wenn nicht, schone Dich.” (Bernhard von Clairvaux (1090-1153)
Doch wie gelingt es mir entspannter, leichter und auch gesünder durchs Leben zu gehen?
Im Coaching beginnen wir damit die Situationen zu identifizieren die in uns das Gefühl von Frustration, Erschöpfung, Stress und Überforderung auslösen. Und für jede dieser Situationen stellen wir die Frage, „in welcher Angelegenheit befinde ich mich gerade?“. Dann Clustern wie die Situationen in 1) meine Angelegenheit 2) die Angelegenheit der anderen und 3) die Angelegenheit des Universums. Ich empfehle diese Aufteilung visuell darzustellen, z. B. mit Moderationskarten auf einer Pinnwand oder auf einem großen Blatt in drei Spalten. Es ist wichtig sich bewusst zu machen, was in meinem eigenen Einflussbereich 1) liegt und was nicht (2) und 3)). Das darf erstmal sacken. Denn wir erkennen, dass wir in der Vergangenheit viel Zeit dafür aufgebracht haben Menschen und Dinge zu verändern, auf die wir „eigentlich“ keinen Einfluss haben und das kostet sehr viel Energie. Diese Erkenntnis muss verdaut werden und vielleicht auch betrauert.
Nachdem wir Klarheit darüber haben, worauf wir Einfluss haben und worauf nicht können wir ins Handeln kommen.
In der 1) Kategorie geht es darum ein Ziel zu definieren, die Schritte dorthin zu benennen und loszugehen. Ein Ziel könnte z. B. sein, mehr Zeit für sich selbst (ohne Verpflichtungen) zu haben, gesünder zu leben, entspanntere Paar-Zeit zu verbringen oder oder oder. Auch ist hilfreich zu ergründen was mich bisher davon abgehalten hat dieses Ziel zu erreichen und ob ich Unterstützung von außen brauche, um dieses Ziel zu erreichen.
In der 2) Kategorie gibt es eine ganz einfache Lösung. Wir müssen einfach nur loslassen und die uns zu eigen gemachten Angelegenheit zurückgeben. Wir hören auf uns in die Angelegenheit der anderen einzumischen und vertrauen darauf, dass der andere seinem eigenen Schicksal gewachsen ist. Wir geben ab, wir lassen los. Ganz einfach! Wer jetzt denkt ja super, alles klar verstanden. Herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg beim „einfach loslassen“. Den meisten wird es aber eher so gehen. Häh, wie bitte, loslassen wie soll das denn gehen. Es kann mir doch nicht egal sein, ob mein Partner einen neuen Job findet, meine Oma versorgt ist, die Kinder ihre Hausaufgaben machen oder ähnliches. Ich trage doch auch Verantwortung. Ja und nein. Und ja, es ist nicht leicht. Ich glaube „loslassen“ gehört wirklich zu den schwersten Lektionen des Lebens. Doch wenn wir akzeptieren, dass wir außerhalb unserer Angelegenheiten nichts verändern können und mit unserem bisherigen Handeln oft sogar noch das Gegenteil erreicht haben, dann kommen wir vielleicht ganz automatisch an den Punkt, an dem wir aufgeben (auch eine Form des Loslassens). Nicht weil es uns egal ist, sondern weil wir erkennen – wir haben es nicht in der Hand. Doch es gibt auch eine gute Nachricht, etwas haben wir in der Hand. Nämlich wie lange wir uns daran aufreiben und wie lange wir es mit unserem Verhalten dem anderen fast unmöglich machen, Verantwortung für seine Angelegenheit zu übernehmen, indem wir sie irgendwie doch für ihn tragen. Denn wie sollte ihr Partner lernen, dass er selbstverantwortlich für sein Wohlergehen ist, wenn sie ihm immer alles abnehmen. Er muss selbst den Leidensdruck spüren und sich aus eigner Kraft auf den Weg machen. Sie können ihm nur vorleben wie das geht mit der „Selbstverantwortung“. Dazu gehört übrigens auch bei sich selbst und seinen Anliegen zubleiben.
Und es gibt noch einen wichtigen Aspekt. Wir können uns die Facetten anschauen die uns nahe gehen. Wenn ich mir also Sorgen machen, dass mein Partner keinen neuen Job findet. Welche Angst wird dann damit in mir angesprochen. Ja die, dass wir finanzielle Einbußen haben, dass wir uns dies oder jenes nicht mehr leisten können usw. Ja mein Bedürfnis nach finanzieller Sicherheit ist angesprochen. Und dafür wiederum trage ich Verantwortung. Ich kann mir also überlegen, was ich tun kann, um mein Bedürfnis nach finanzieller Sicherheit selbst zu befriedigen. Und wenn ich mir dies bewusst mache, wird auf einmal der Raum für Möglichkeit größer und mir wird auch klar, warum ich so sehr daran interessiert war, das mein Partner einen neuen Job findet. Nicht weil ich der Meinung war, es ist das Beste für ihn, nein ich wollte einfach nicht mit meiner Angst konfrontiert werden. Und schon bin ich wieder in meiner Angelegenheit. Und kehre zu 1) zurück.
In der 3) Kategorie, verläuft es sich ähnlich wie in der zweiten. Es gilt sich bewusst zu machen, dass ich auf das Wetter und den Stau keinen Einfluss haben, weil es Gott und das Universum steuert. Und dann zu schauen, welche meiner Bedürfnisse werden dabei angesprochen und was kann ich selbst zur Erfüllung dieser beitragen. Und so gelange ich auch in dieser Kategorie wieder bei mir selbst und meinen Angelegenheiten.
“Wenn ich glaube zu wissen was für jemand anderen das Beste ist, dann befinde ich mich außerhalb meiner Angelegenheit, selbst im Namen der Liebe ist das pure Arroganz. Weiß ich was das richtige für mich ist? Das ist meine einzige Angelegenheit. Lass mich damit starten, bevor ich deine Probleme versuche zu lösen.” (Byron Katie – The Work)
Bitte machen Sie sich klar, dass Sie Ihren Partner, Ihre beste Freundin oder besten Freund, Ihre Familienmitglieder und Kollegen inkl. Ihres Chefs nicht verändern können, auch nicht, wenn Sie „nur“ unterbewusst ihnen das Gefühl geben, Sie selbst wissen was richtig und falsch ist. Wir dürfen die radikale Verantwortung für unser Leben übernehmen und all den anderen ihr Schicksal zutrauen, ja auch uns selbst zutrauen, dass wir es ihnen wahrhaftig zu trauen können.
Bleiben Sie gnädig mit sich selbst, es ist eine anspruchsvolle Aufgabe nur bei sich zu bleiben und es braucht seine Zeit. Das Leben ist ein geduldiger und stetiger Lehrer und wird uns immer wieder aufzeigen, wo es gelingt und wo nicht.
Ich hoffe diese Impulse sind eine hilfreiche Anregung. Und wenn Sie nun Lust verspüren selbst mal Ihren Angelegenheiten auf den Grund zu gehen – lassen Sie es mich wissen, ich freue mich darauf Sie zu mehr Lebensfreude, Leichtigkeit und Entspannung zu begleiten.
Herzliche Grüße
Vera Elkendorf
Ihr Coach für mehr Lebensfreude