Stell dir vor, du würdest das nächste Mal, wenn sich dein schlechtes Gewissen meldet sagen: “Ach interessant, etwas in mir ist mit dem was ich getan, gedacht, gefühlt habe nicht einverstanden, das ist ja spannend. Was will mir das wohl sagen?“.
Diese neugierige Betrachtung ermöglicht dir Abstand und dieser Abstand schenkt dir den einen Moment, den es braucht, um innezuhalten anstatt in die Abwärtsspirale von Selbst- und Fremdabwertung einzusteigen. Mit etwas Abstand magst du erkennen, was dich zum Handeln motiviert hat und im besten Fall auch, welches Bedürfnis du dir damit erfüllen wolltest.
„Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.” (Viktor Frankl)
Doch warum meldet sich dennoch dein schlechtes Gewissen? An dieser Stelle ist es hilfreich dieses als etwas zu betrachten, dass dich auf etwas aufmerksam machen möchte. Vielleicht wie ein Warnlämpchen im Auto oder das Piepsen des Kühlschranks, der zu lange aufgestanden hat.
Worauf will dich dein schlechtes Gewissen aufmerksam machen?
Wenn ich an Situationen denke, in denen sich mein schlechtes Gewissen meldet, dann will es mich darauf aufmerksam machen, dass mein Denken, Fühlen und Verhalten in irgendeiner Weise von meinem Norm- und Werte-System abweicht.
Was sind deine Norme und Werte?
Wonach richtest du dein Denken, Fühlen und Verhalten aus?
Wenn es dir schwer fällt diese zu benennen, geht es dir wie vielen Menschen. Wir haben unser Denken, Fühlen und Verhalten meist unbewusst von unseren Eltern und dem sozialem Umfeld, ohne dies groß zu hinterfragen, übernommen. Daraus abgeleitet haben wir Strategien entwickelt, die uns in dem damaligen Umfeld all das gegeben haben, was wir brauchten um zu überleben. In erster Linie war das neben Nahrung, Liebe und Aufmerksamkeit. Diese sogenannten Überlebensstrategien sind nicht nur für Menschen befremdlich, die in einem anderen Land aufgewachsen sind, sondern auch für jene die ein Haus weiter aufgewachsen sind, weil auch dort nach einem anderen Norm- und Werte-System gelebt wurde.
Wir alle sind gut beraten, wenn wir ab und zu mal unser Norm- und Werte-System hinterfragen und mit der Welt abgleichen in der wir leben wollen. Doch auch für einen liebevolleren Umgang mit uns selbst empfehle ich das eigene Norm- und Werte-System zu überprüfen, denn unser Denken, Fühlen und Verhalten unreflektiert in eine Zeit fortzuschreiben, die sich ständig weiterentwickelt, ist schlicht weg unklug.
Nehmen wir z. B. die Werte Loyalität und Zuverlässigkeit. Auf den ersten Blick mag vielleicht jeder sagen, sehr wichtig und sehr geschätzt bei Partner, Freunde, Kollegen. Doch in einer Welt, die immer „höher-schneller-weiter“ dreht mit den uns allen bekannten Folgen von Systemen, die immer mehr kollabieren, braucht es vielleicht etwas anderes. Etwas das uns ermöglicht „tiefer-achtsamer-nachhaltiger“ zu leben, nicht nur für unsere Erde und unsere Mitmenschen, sondern auch für uns selbst.
Doch sicherlich liegt die Lösung nicht darin, das eine Norm- und Werte-System ungefiltert durch ein anderes zu ersetzen. Viel zeitgemäßer wäre es unser schlechtes Gewissen als Kompass zu nutzen und so Stück für Stück, von Tag zu Tag, von Situation zu Situation unser Norm- und Werte-System nachzujustieren und stetig auf die sich in uns und im Außen veränderten Umstände anzupassen.
Eine Geschichte: “Der Esel, der Vater und der Sohn”
Ein Vater zog mit seinem Sohn und einem Esel in der Mittagshitze durch die staubigen Gassen. Der Sohn führte und der Vater saß auf dem Esel. „Der arme kleine Junge“, sagte ein vorbeigehender Mann. „Seine kurzen Beine versuchen, mit dem Tempo des Esels Schritt zu halten. Wie kann man nur so faul auf dem Esel sitzen, wenn man sieht, dass das Kind sich müde läuft?” Der Vater nahm sich dies zu Herzen, stieg hinter der nächsten Ecke ab und ließ den Jungen aufsitzen. Es dauerte nicht lange, da erhob schon wieder ein Vorübergehender seine Stimme: „So eine Unverschämtheit! Sitzt doch der kleine Bengel wie ein König auf dem Esel, während sein armer, alter Vater nebenherläuft.“ Dies tat nun dem Jungen leid und er bat seinen Vater, sich mit ihm auf den Esel zu setzen. „Ja, gibt es sowas?“, sagte eine alte Frau. „So eine Tierquälerei! Dem armen Esel hängt der Rücken durch und der junge und der alte Nichtsnutz ruhen sich auf ihm aus. Der arme Esel!“ Vater und Sohn sahen sich an, stiegen beide vom Esel herunter und gingen neben dem Esel her. Dann begegnete ihnen ein Mann, der sich über sie lustig machte: „Wie kann man bloß so dumm sein? Wofür hat man einen Esel, wenn er einen nicht tragen kann?“ Der Vater gab dem Esel zu trinken und legte dann die Hand auf die Schulter seines Sohnes. „Egal, was wir machen“, sagte er, „es gibt immer jemanden, der damit nicht einverstanden ist. Ab jetzt tun wir das, was wir selber für richtig halten!“ Der Sohn nickte zustimmend.
(Auszug aus dem Buch „Der Kaufmann und der Papagei“ von Nossrat Peseschkian)
Was nimmst du aus diesem Artikel für dich mit?
Du möchtest dein Norm- und Werte-System reflektieren? Dann komm zu mir ins Coaching, gerne begleite ich dich ein Stück des Weges zu mehr Wirksamkeit und Lebensfreude im Beruf und Privatleben. Du erreichst mich unter 0151/46525418 oder info@elkendorf-coaching.de.
Du willst auf dem Laufenden bleiben?
Dann folge diesem Link zur Anmeldung für meinen Newsletter.