Susanne und Klaus leben seit vielen Jahren zusammen, sie sind seit über 10 Jahren verheiratet und haben zwei Kinder. Sie sind glücklich und haben viele schöne Momente zusammen. Doch wenn es ums Geld geht, kommen sie einfach nicht überein. Es scheint als würden sie zu diesem Thema auf unterschiedlichen Kontinenten leben. Im Wesentlichen kümmert sich Susanne um die Finanzen, so können sie das Thema weitestgehend aus dem Alltag heraushalten. Doch manchmal erfordert eine größere Anschaffung oder ein anderes Ereignis, dass das Thema Geld doch auf den Tisch kommt und dann erwischt es sie mit geballter Wucht. Von außen betrachtet könnte man meinen, jeder bräuchte nur etwas „nachgeben“ und die Schwierigkeiten wären gelöst. Doch, nachdem sie auf ihre Weise diese Meinungsverschiedenheit schon so viele Jahre hingebungsvoll gepflegt haben und für ihre jeweilige Position so tatkräftig gekämpft haben, kann keiner von beiden über seinen Schatten springen.
Welchen Konflikt pflegst du schon über viele Jahre hingebungsvoll?
Susanne und Klaus sind damit natürlich keine Ausnahme, jeder von uns kennt solche Konflikte. Die Liste der Themen über die wir in Beziehungen, ob Paarbeziehungen, Freundschaften oder als auch beruflichen Beziehungen, streiten ist endlos lang. Ob wir auf eine kurze oder längere Konflikt-Tradition zurückblicken, ist dabei unwichtig. Manche Konflikte sind möglicherweise sogar älter als wir selbst, denn sie sind vielleicht zu Zeiten unserer Eltern oder Großeltern entstanden. Auch der eigentliche Inhalt spielt nur eine untergeordnete Rolle. Wirklich relevant ist die Bedeutung, die wir dem Thema geben. Also welchen Rückschluss wir daraus auf uns selbst, unsere Wertvorstellungen und Überzeugungen – also unsere Identität – ziehen. Wenn wir die Position, die wir in einem Konflikt einnehmen gleichbedeutend mit unser Identität setzen, wäre jedes Abweichen davon – wenn auch nur einen Millimeter – gleichbedeutend mit dem Aufgeben von etwas viel Größerem, nämlich unserer Existenz. Vielleicht hältst du das für übertrieben, doch warum sonst kämpfen wir im wahrsten Sinne des Wortes bis aufs Blut, obwohl jemand einfach nur eine andere Ansicht vertritt?
Für welche deiner Ansichten trittst du in den Kampf?
Wir kämpfen, weil ein Teil von uns – nennen wir es mal unser Ego oder unsere Identität – um sein Überleben fürchtet. Also halten wir lieber weiter an unserer Position fest, da wir dem Trugschluss erliegen, dass es diese eine Wahrheit gibt. So suchen wir Belege und Beweise für unsere Position, bekräftigen unseren Standpunkt, in dem wir Verbündete anführen, die das auch so sehen und bedienen uns scheinbar allgemeiner gültiger Überzeugungen, mit Worte wie „das macht MAN so“ oder ähnliches.
Wohin uns dieses Kämpfen für unsere scheinbar einzig richtige Position bisher geführt hat, können wir jeden Tag im Großen wie im Kleinen sehen. Streit, Ausgrenzung, Trennung und Krieg sind die Folgen. Doch was wäre eine Alternative?
„Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort, an dem treffen wir uns.“ Rumi
Es gibt nicht diese eine Wahrheit oder eine eindeutige Rechtsprechung darüber, wer nun richtig oder falsch handelt. Es hängt immer von der Perspektive ab und diese wird durch den eigenen Wertekanon und den bisherigen Erfahrungen in ähnlichen Situationen bestimmt. Und obwohl wir uns darüber vielleicht sogar bewusst sind, in für uns sehr bedrohlichen Situationen können wir dank eines Erbes unserer Vorfahren nur auf drei Handlungsalternativen zurückgreifen: kämpfen, flüchten oder totstellen. Auf unsere Ratio, in der solch ein „Wissen“ abgespeichert ist, haben wir in solchen Fällen leider wenig Zugriff. Dabei ist wichtig: dass wir kämpfen, solange wir uns eine Chance zu gewinnen ausrechnen. Wenn das Gegenüber stärker erscheint, versuchen wir zu flüchten. Und wenn auch dies keinen Erfolg verspricht, stellen wir uns tot. Mit dem Wissen über die drei Ur-Reflexe erscheinen eigene Konflikte als auch jene im näheren Umfeld in einem ganz anderen Licht.
Welcher der drei Ur-Reflexe läuft bei dir typischerweise als Reaktion auf den Umgang mit Konflikten ab?
Susanne und Klaus spielen das Spiel des „Rechthabens“ nun schon viele Jahre. Susanne hat ihre Position und eine Menge an Gründen schon ebenso oft vehement vertreten wie Klaus die Seinigen. Außer der bekannten Verstimmungen, die sich gerne mal über mehrere Tage hinziehen, hat es zu nichts Hilfreichem geführt.
„Willst Du Recht haben oder glücklich sein? Beides gleichzeitig geht nicht.“ Marshall B. Rosenberg
Insbesondere in Konflikten, die schon über viele Jahre andauern, scheint es den Beteiligten unmöglich ihren Standpunkt aufzugeben, wie schon oben begründet. Deshalb braucht es Wege, die es beiden Seiten ermöglichen aufeinander zu zugehen und dabei ihr Gesicht wahren zu können. Dies scheint mir nach aktueller Erfahrung der alles entscheidende „Game-Changer“ zu sein. So muss bei der Überwindung eines jeden Konflikts immer darauf geachtet werden, dass die Perspektive beider Seiten gleichberechtigt anerkannt und gewertschätzt wird. Es ist völlig irrelevant, ob und wer „Recht“ hat, nur wenn beide Seiten die Perspektiven des anderen akzeptieren, kann der Konflikt überwunden werden. Ein nicht zu unterschätzende „Kleinigkeit“ sind dabei die Worte „aus seiner Sicht“, denn wir müssen nicht mit der Perspektive des anderen übereinstimmen. Wie auch? – wir haben es ja anders erlebt. Doch ebenso wenig wie wir mit der Sicht des anderen übereinkommen müssen, muss auch der andere mit unserer Sicht nicht übereinkommen. Es geht einzig und allein darum, zu akzeptieren, dass jeder „aus seiner Sicht“ die Situation so wahrgenommen hat (Punkt).
Nach dieser wichtigen Grundeinstellung, nämlich der Akzeptanz von einer unterschiedlichen Wahrnehmung, können wir uns nun die zwei Hebel anschauen, die es ermöglichen trotz dieser bleibenden Unterschiede den Konflikt zu überwinden. Am besten wir gehen auf Nummer sicher und betätigen beide Hebel.
Wofür anstatt warum
Üblicherweise fragen wir in Konflikten nach dem „warum“ jemand streitet. Zu hören bekommen wir z. B. “weil er sich null für mich interessiert“, „sie immer nur an sich denkt“, „er unser ganzes Geld verschleudert“ oder „sie wie ihre Mutter ist“. Mit solchen Aussagen kommen wir keinen Schritt weiter, sie tragen nicht zur Überwindung von Konflikten bei, eher im Gegenteil sie befeuern diese und jeder fühlt sich in seiner Sicht auf den Anderen bestätigt … „hab‘ ich es doch gesagt, er interessiert sich nicht für mich“ oder so ähnlich.
Kleiner Wahnhinweis: der nachfolgende Vorschlag ist nicht für diejenigen, die Freude an einer saftigen Auseinandersetzung haben und sich dabei so richtig wohlig und lebendig fühlen, denn nun wird es hilfreich und konstruktiv. Stell dir vor es geht mal wieder heiß her, du kommst gerade so richtig in Fahrt, doch bevor du zum nächsten „Schlagabtausch“ ansetzt, fragt dich eine innere Stimme: „Wofür streitest du?“. Die kleine Änderung vom “Warum” zum “Wofür” kann alles verändern. Denn nun geht es nicht mehr darum, was der andere gesagt, gemacht oder unterlassen hat, es geht nun um dich selbst. Willkommen zu deiner radikalen Selbstverantwortung und dem Tor in deine Freiheit.
Wofür, also für welche deiner dahinterliegenden Bedürfnisse, kämpft du in deinen Konflikten?
In dem “Wofür” steckt die Möglichkeit den Konflikt, der sich häufig im klein-klein verliert, zu überwinden. Die Erkenntnis deiner dahinterliegenden Bedürfnisse ist der Hebel, mit dem du den Konflikt überwinden kannst. Die Frage nach dem “Wofür” hilft dir jedoch nicht nur dabei dich und dein Konfliktverhalten besser zu verstehen, es hilft dir auch beim Verständnis für dein Gegenüber, denn das aus deiner Sicht problematische Verhalten des anderen, ist ein Lösungsversuchs für das Problem, das dieser erlebt. Das mag jetzt kompliziert klingen, doch im Grunde ist es recht einfach. Wenn wir uns die dahinter liegenden Bedürfnisse – unsere und die des anderen – anschauen, die sich jeder mit seinem Verhalten versucht zu erfüllen, kommen wir der Überwindung des Konfliktes ein großes Stück näher.
Siehst du den entscheidenden Unterschied?
Die Gewaltfreie Kommunikation bietet uns hierbei ein sehr hilfreiches Vorgehen an. Wenn du darüber mehr erfahren möchtest, sei beim kostenfreien Online Einführungstraining in die Gewaltfreie Kommunikation dabei. Nähere Informationen dazu und zum 6-teiligen Vertiefungstraining findest du hier (Link zum Trainingsangebot).
Doch was, wenn die Erkenntnis über das “Wofür” noch nicht reicht, um den Konflikt nachhaltig zu überwinden? Für viele Menschen ist das Aufgeben der eigenen Position oder auch nur das leichte Abrücken gleichbedeutend mit einem Eingeständnis „Schuldig zu sein“ oder zumindest nicht ganz „ok“ zu sein. Wen wundert es da, dass es uns so schwer fällt aufeinander zuzugehen. Also dürfen wir die Bedeutung, die wir der Änderung unserer Position geben, ändern. Dies ist der zweite alles entscheidende Hebel zur Überwindung unserer Konflikte.
Doch was heißt das konkret? Hast du innerlich vielleicht auch schon mal gedacht: „Ok der Klügere gibt nach“ oder „dem Frieden zuliebe …“. Was geschieht in diesem Moment? Wir werden uns eines “höheren Ziels”, z. B. dem friedvollen Miteinander bewusst. Bei Sorgerechtsstreitigkeiten könnte so ein “höheres Ziel”, das „Kindeswohl“ sein, aber auch jenes andere Ziel kann dafür dienen. Wir müssen uns dabei noch nicht mal über das “höhere Ziel” sein. Wichtig ist, dass es individuell so viel so Kraft entfaltet, dass es uns ermöglicht den Konflikt wirksam zu überwinden. Dieses “höhere Ziel” ermöglicht uns von der eigenen Position abzurücken, ohne dabei das Gesicht (unsere Identität) zu verlieren. Der eine tut es vielleicht dem Frieden zuliebe, der andere für eine effektivere Zusammenarbeit oder für sein Glücklichsein. Wichtig ist sich dafür bewusst zu entscheiden, Verantwortung zu übernehmen und sich damit seiner eigenen Handlungsfähigkeit wieder bewusst zu werden.
Welches höhere Ziel trägt dich über deinen Konflikt hinaus?
In außergewöhnlichen Zeiten gelang es Menschen schon immer, ihren festgefahren Standpunkt für ein höheres Ziel zu überwinden. Denke nur einmal an die Geschichte über die Soldaten, die im 1. Weltkrieg ihre Waffen für einen Tag niederlegten, um gemeinsam Weihnachten zu feiern. Auch die Flutkatastrophe im Ahrtal hat gezeigt, wie groß das Streben nach Solidarität und Gemeinschaft ist, wenn es wirklich darauf ankommt. Ebenso wahr ist es jedoch auch, dass sobald wir das „Wofür” wieder vergessen, auch die eins überwundenen unterschiedlichen Positionen wieder sichtbar werden. Bitte denke nicht, dass solch ein “höheres Ziel” ein Selbstläufer sei. Wie jeder Muskel will auch unsere Entwicklung durch regelmäßiges Bewusstsein trainiert werden, am besten täglich.
Diese Geschichte “Autobiografie in fünf Kapiteln” von Portia Nelson bringt es wunderbar auf den Punkt:
Ich gehe die Straße hinab.
Im Bürgersteig ein tiefes Loch.
Ich falle hinein.
Ich bin am Ende … Ich bin hilflos.
Aber ich kann nichts dafür.
Es dauert ewig, hier wieder herauszukommen.
Ich gehe die gleiche Straße hinab. Im Bürgersteig ein tiefes Loch. Ich tue, als sähe ich es nicht.
Ich falle wieder hinein.
Ich kann nicht glauben, dass ich wieder drinstecke. Aber ich kann nichts dafür.
Und wieder dauert es lange, bis ich herauskomme.
Ich gehe die gleiche Straße hinab.
Im Bürgersteig ein tiefes Loch.
Ich sehe, dass es da ist.
Und ich falle wieder hinein … Es ist schon Gewohnheit. Meine Augen sind auf.
Ich weiß, wo ich bin.
Ich kann sehr wohl etwas dafür. Ich steige sofort aus.
Ich gehe die gleiche Straße hinab. Im Bürgersteig ein tiefes Loch. Ich gehe drum herum.
Ich gehe eine andere Straße hinab.
Selbst bei Susanne und Klaus, die schon so viele Jahre ihren Konflikt pflegen, könnte die Bereitschaft dahinter zu schauen, sich also ihr „Wofür“ bewusst machen und dann sich mit Blick auf “höheres Ziel” neu ausrichten, den alles entscheidenden Unterschied machen.
Bist du dir deines “Wofürs” und eines “höheren Ziels” bewusst geworden?
Konflikte sind, so unliebsam sie auch sind, Teil unseres Lebens. Es geht nicht darum, sie zu vermeiden, sondern etwas daraus zu lernen. Unserer bisherigen Perspektive ein neues Puzzleteil hinzuzufügen und über uns hinaus zu wachsen und einander wohlwollender zu begegnen – für unser eigenes “höheres Ziel”.
„Probleme kann man niemals mit der selben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“ Albert Einstein
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Ich wünsche dir ein glückliches, gesundes und vor allem BEWUSSTES neues Jahr.
Herzliche Grüße
Vera Elkendorf
Dein Coach für mehr Lebensfreude